Wirkungsstätte Reinhold Schneiders erhalten!

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„Die Wahrheit nur wird an die Herzen dringen / und wirken wird
das Wort nur das gelebt“, so steht es auf der Tafel, die an der Außen-
mauer des Hauses Mercystraße 2 eingelassen wurde, in dem Reinhold
Schneider 20 Jahre von 1938 bis 1958 gelebt und gearbeitet hat. Wäh-
rend sich diese Worte einbeißen in die Wand, erleben wir in diesen
Tagen eine vielseitige Diskussion über Reinhold Schneider als inter-
nationalen Literaten und kritischen Beobachter, der in der NS-Zeit
unerwünscht war. Wir erleben aber auch die späte Aufarbeitung eines
unrühmlichen Vorgangs der Freiburger Baugeschichte. Und dabei hat
die Bauverwaltung vielleicht das Allerschlimmste verhindert. Aber das
reicht eben nicht.

Seit 2009 stehen Haus, Gartenhaus und Park unter Denkmalschutz.
Der damalige Regierungspräsident Julian Württenberger erklärt in einer
Pressemitteilung dazu: „Dass wir das Anwesen Mercystraße 2 als
Kulturdenkmal einstufen konnten, ist ein weiterer Schritt, das geschichtliche
Erbe unserer Vorfahren nachhaltig zu bewahren.“ Ganze fünf Jahre später
ist das Anwesen zerstückelt, an eine Immobilienfirma verkauft, und das
Wohnhaus wird höchstpreisig auf dem freien Markt angeboten. Die
Baugenehmi-gung wird wohl bald erteilt werden.

Bauen in Freiburg erweist sich wieder einmal als seelenlos. Kultur
und Bauen sind nicht personell verzahnt. Aber auch die Gemein-
deräte sind weit davon entfernt, das Reinhold-Schneider-Areal als
Gedenk- oder Erinnerungsstätte in Erwägung zu ziehen. Der eigent-
liche Skandal aber ist das Verhalten der oberen Denkmalbehörde, die
in unverantwortlicher Weise den Bauantrag begleitet hat und nach
und nach den Denkmalschutz reduzierte und einen weiteren Neubau
direkt neben dem Reinhold-Schneider-Haus zuließ. Eine ablehnende
Haltung gegenüber dem Bauantrag hätte hier einiges bewirkt.

Ein Skandal ist auch die fehlende Öffentlichkeit über dieses
Bauvorhaben, über das seit 2008 Bauträgergesellschaften mit der
Stadt verhandeln und es sogar einen Aufstellungbeschluss 2012 gab.
Nachhaltigkeit auf dem Feld der Kultur ist für die Stadt ein Fremd-
wort. Die späten Anstrengungen für den Erhalt und die kulturelle
Verwendung des Reinhold-Schneider-Hauses haben jetzt vehement an
Fahrt gewonnen, die Reinhold-Schneider-Preisträger/innen formieren
sich, vielfältige Unterstützung und Transparenz sind nötig.

Atai Keller, KULT-Stadtrat in den UL
(Amtsblatt, 4. Juli 2014)