Die lautesten Signale kommen stadtweit zur Wohnungsfrage. Thema Nr. 1 war und ist für uns deshalb auch weiterhin der Erhalt und die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum – für eine wachsende Bevölkerung, deren Einkommen aber nicht mit der Entwicklung der Mietpreise mitwächst. Ein weiterer neuer Stadtteil scheint unumgänglich, solange wir keine neuen Wohn- und Lebenskonzepte entwickeln, die den knappen Ressourcen und dem Klimaschutz Rechnung tragen. Dietenbach soll ja ein klimaneutraler Stadtteil werden. Doch werden die Wohnungen dort auch bezahlbar sein? Das ist die große Frage. Es zeichnet sich längst ab, dass wir um jedes einzelne der 50 % werden ringen müssen, damit genug geförderte Mietwohnungen für normal- und gering verdienende Familien und Alleinstehende, aber auch für Transferleistungs-empfänger/innen entstehen. Schlecht ist, dass die Stadt dort kaum über eigene Flächen verfügt, dazu werden extrem hohe Erschließungskosten zu teuren Grundstückspreisen führen. Einigen Vollerwerbslandwirten wird zudem ihre Lebensgrundlage entzogen. Vor allem aber: Hier wie überall werden immer mehr Flächen versiegelt.

Durch Nachverdichtungen in der Kernstadt wird genau das vermieden, indem mehr Wohnungen an alter Stelle gebaut werden. Selten jedoch ist das so unproblematisch wie bei Dachausbauten oder bei der Entwicklung neuer Quartiere, die früher gewerbliche oder andere Nutzungen vorsahen, wie z.B. das Areal des Eisstadions oder das ehemalige Wertkauf-Gelände. Vielerorts geht Nachverdichtung aber einher mit dem Verlust besonders preisgünstiger Wohnungen, der Zerschlagung gewachsener Nachbarschaften, mit der Gentrifizierung von Quartieren, sprich mit teuren Mieten oder Umwandlung in Eigentum.

Von der Quäkerstraße haben wir das heut Abend schon gehört. Wir stehen auf der Seite der Mieter/innen und wollen, dass ihre Wohnungen erhalten und bestenfalls behutsam modernisiert werden. Kritisch sehen wir auch die Vernichtung preisgünstiger Wohnungen, die im Elefantenweg und dem gesamten Metzgergrün bevorsteht, auch hier droht Totalabriss und Neubau. Selbst das noble Herdern ist davor nicht gefeit. Schöne alte Villen werden abgerissen, denn in deren Gärten lässt sich mehr und noch teurer bauen. Wir unterstützen darum auch die Initiative der Bürgervereine Herdern und der Wiehre nach Erhaltungssatzungen.

Kaum ein anderes Thema, das uns 2017 wie auch heute sehr bewegt, ist die Frage nach dem angemessenen Umgang mit unserer, mit der Freiburger Geschichte.

So willkommen und wohltuend der Platz der Alten Synagoge als Pendant zur engen mittelalterlichen Altstadt ist, so unsäglich fanden wir das Festhalten an den Plänen für den Wasserspiegel, nachdem die Grundmauerfunde zu Tage traten. Auch das Fehlen eines Vermittlungskonzepts ist zu kritisieren. Die nachträglich angebrachten Hinweistafeln können nur eine Zwischenlösung sein.

Uns genügt auch keine Bodenplatte mit Text, der die Geschichte des Siegesdenkmals erläutert. Wir fordern eine zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Monstrum. Fakt ist leider, dass wir in diesen Anliegen bei beiden Plätzen nur von der Fraktion JPG Unterstützung haben.

Außerdem braucht der Platz am Siegesdenkmal einen entsprechenden Namen. Keinesfalls darf das nur ein Europaplatz werden, wie Grüne und CDU es wollen. Ich persönlich will einen Rosa-Luxemburg-Platz. Im Gedenken an ihre Rede im nahen Stadtgarten – für Frieden, Völkerverständigung und gegen den drohenden Ersten Weltkrieg, und um Rosa ein Denkmal zu setzen – endlich – auch in Freiburg.

Schon jahrelang hatten Marlies Meckel und andere darauf gedrungen, ein Dokumentationszentrum der Freiburger NS-Geschichte einzurichten und die UL hat das von Anfang an unterstützt. Umso erfreuter waren wir, dass unsere neuerliche Initiative nun bei allen Gruppierungen des Gemeinderats auf Zustimmung traf. Jetzt wird es darum gehen, einen zentralen Ort in der Innenstadt dafür zu finden, es personell auch so auszustatten, dass es ein umfassender Informations- und Lernort für Jung und Alt und für die Aufarbeitung unerforschter Aspekte der NS-Geschichte werden kann.

Gleichzeitig muss der Bezug zur Gegenwart, zum besorgniserregenden Erstarken der Neonazis, hergestellt werden. Es muss vermittelt werden, dass Antisemitismus, rassistische Hetze gegen Muslime und Schwarze, gegen Sinti und Roma, dass Homophobie und reaktionäre Frauenbilder absolute no goes sind, weil sie unseren gesellschaftlichen Konsens verletzen. Das kann uns selbst allerdings nicht davon entbinden mehr und offensiv Stellung gegen solche Tendenzen zu beziehen.

Um den Umgang mit der Geschichte unserer Stadt geht es auch beim anstehenden 900 jährigen Jubiläum. Der Vorlauf war unsäglich, die jetzigen Pläne sind enttäuschend und inhaltlich noch flach.

Die Frauen in der Stadt erwarten einen, das Jubiläumsjahr prägenden, frauenpolitischen Schwerpunkt. Denn die Errungenschaften in den letzten 100 Jahren Frauengeschichte haben allen Frauen und Mädchen tiefgreifende positive Veränderungen gebracht. Gegen aktuelle Tendenzen eines antifeministischen roll-backs gilt es, diese ins Bewusstsein zu rufen. Beim jetzigen Jubiläum wollen wir auch nicht noch einmal erleben, dass viele und nur ausschließlich ehrenwerte Herren über die Stadt resümieren. So geschehen in einem opulenten Freiburg-Band, den OB Böhme zum 875. in Auftrag gab. Ihr erinnert euch daran vielleicht, auch dass diese Ignoranz zur ersten Freiburger Frauenkonferenz FrauenMachtZukunft führte – als klitzekleine Wiedergutmachung.

Klein läuft aber nicht mehr. Wir wollen ein großes Projekt zur Frauen-Stadtgeschichte und Gleichstellung der letzten 100 Jahre, als städtischen Schwerpunkt, mit entsprechendem Budget. Gedacht wird seitens der Frauenbeauftragten und der Feministischen Geschichtswerkstatt an unterschiedlichste Formate, die den gesellschaftlichen Wandel aus der Sicht von 5 Generationen Freiburgerinnen verdeutlicht. Bleiben sollte über 2020 hinaus eine Dauerausstellung im Museum für Stadtgeschichte, Band 3 des Buchs Margarete Jedefrau zur Freiburger Frauen-Geschichte und eine Webseite.

Kurz vor dem Jubiläum, bereits in diesem Jahr, blicken wir auch auf 100 Jahre Frauenwahlrecht zurück. Und da könnte, wenn es genug wollen, Monika Stein die erste Oberbürgermeisterin Freiburgs seit knapp 900 Jahren werden. Die Unabhängigen Frauen und die Linke Liste unterstützen sie dabei, die Kulturliste flirtet noch mit beiden – mit Monika Stein und Martin Horn.

Zum Schluss, danke ich allen Anwesenden und unzähligen weiteren Engagierten in unserer Stadt, die gemeinsam mit uns beharrlich am Projekt für ein solidarisches Zusammenleben der Generationen und Kulturen in dieser Stadt arbeiten, die Quartiere und Stadtteile stärken und die Kunst und das interkulturelle Leben fördern. Vor allem jedoch alles Mögliche tun, um einen sozialen Ausgleich gegen die Kluft zwischen Arm und Reich zu schaffen. Das gibt uns gegenseitig Kraft und gemeinsam macht‘s so ja auch mehr Spaß, die Herausforderungen in 2018 und darüber hinaus anzunehmen.

Rede von Irene Vogel, Unabhängige Frauen zur Neujahrsveranstaltung der Unabhängigen Listen 2018

Rede Irene