Gemeinderatsmehrheit für Umsetzung von 50 % gefördertem Mietwohnungsbau für Dietenbach

 

Rede von Michael Moos im Gemeinderat am 27. November 2018

Ich zitiere Spiegel online v. 22.11.18: In Wien gilt ab sofort eine neue Bauordnung, die – so der SPIEGEL – einem Paukenschlag gleichkommt. Zwei Drittel aller neuen Wohnungen fallen dort künftig in die Kategorie „geförderte Wohnnutzfläche“, die Miete darf damit bei 66% im Neubau nicht mehr als 5 €/m2 betragen.

Auch in Wien sind die Mietpreise in den letzten Jahren stark angestiegen, wenn auch bei weitem nicht so wie inMünchen, Stuttgart oder Freiburg. Der Grund: Wien und seine Genossenschaften haben zusammen 400.000 Wohnungen. In Wien waren früher 80% aller Wohnungen geförderter Wohnungsbau, jetzt nur noch 30%. Dieser Anteil soll jetzt wieder deutlich steigen.

Was können wir von Wien lernen:
Wir müssen den Anteil der Wohnungen von Stadtbau und Genossenschaften gewaltig steigern.
Und: Unsere baulandpolitischen Grundsätze mit der Vorgabe, dass im Neubau 50% deutlich preisgünstiger sein muss als der Mietspiegel ist ausgesprochen maßvoll.

Auch in Wien beklagen sich Teile der Wohnungswirtschaft, dass dies nicht finanzierbar sei. Der Sprecher der Grünen in Wien hat trocken entgegnet, dass die Wohnungswirtschaft mit ihrer maßlosen Preistreiberei der letzten Jahre selbst schuld sei. Von dieser klaren Haltung können wir uns eine Scheibe abschneiden.

Die Badische Zeitung spricht heute von einem Wohnungspuzzle angesichts der vielen Themen, die wir gleichzeitig bearbeiten. Das ist richtig, aber gleichzeitig steht doch heute und in den nächsten 3 Monaten Dietenbach im Vordergrund.

Eine Zahl hat mich in der Debatte um die Wohnungspolitik beeindruckt: Freiburg ist in den letzten 10 Jahren um 16.000 Einwohner gewachsen. 2 Hauptgründe gibt es dafür: es gab deutlich mehr Geburten als Todesfälle, also Geburtenüberschuss, und es zogen mehr Menschen nach Freiburg als von Freiburg weg. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen, wenn auch möglicherweise nicht in demselben Tempo. Diese Zahlen bergen sozialen Sprengstoff, wenn wir keine befriedigenden Antworten darauf finden, wie wir mit diesem rasanten Wachstum unserer Stadt umgehen.
Ein Teil dieser Antworten muss nach unserer Auffassung das Neubaugebiet Dietenbach sein. Ich sage ein Teil, weil Dietenbach eine wichtige Ergänzung aber keine Alternative zu einer baulichen Entwicklung innerhalb der Stadt ist. Wir sind davon überzeugt, dass wir auch bei Anspannung aller Kräfte bei der Überplanung von Garagenhöfen, beim Ausbau von Dachgeschossen oder dem Aufstocken von Wohngebäuden nicht im entfernten eine gewisse Beruhigung auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen. Dies ist aber dringend nötig. Und dazu benötigen wir ein Neubaugebiet von der Größenordnung Dietenbach, das wir in den nächsten 15-20 Jahren entwickeln können.

Uns ist dabei bewußt und wir haben uns sehr lange damit auseinandergesetzt, dass damit landwirtschaftlich genutzte Fläche verloren geht und dass trotz der geplanten großzügigen Freiraumflächen, einer Dach- und Fassadenbegrünung ein erheblicher Teil des unversiegelten Bodens verloren geht und damit auch seine ökologische Funktion u.a. mit der Speicherung von CO2.

Das Bauen auf der grünen Wiese kann nur die Ausnahme sein und zwar nur dann, wenn andere ebenso wichtige Schutzgüter wie die Sozialstruktur einer Stadt und ihr sozialer Frieden auf dem Spiel stehen. Diese Abwägung hat vor Jahren dazu geführt, dass mit dem Baubeschluss für das Rieselfeld Rieselfeld West als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Diese Abwägung hat auch dazu geführt, dass die vor 20 Jahren massiv geforderte Ausweisung des Seehau als Gewerbegebiet unterblieb und dass jetzt massive Bedenken bei der Bebauung von Mooswald-West bestehen und diese bauliche Entwicklung, obgleich schnell möglich weil in städtischem Eigentum, auf Eis gelegt wurde.

Aber nur Klein-Klein als Alternative reicht eben nicht. Und wenn für zusammenhängende Neubebauung im Innenbereich keine Fläche mehr vorhanden ist, dann – so die Landesgeschäftsführerin des B.U.N.D in Stuttgart, Frau Pilarsky-Grosch in einer Sendung des SWR Fernsehens am 17.04.18, dann ist ausnahmsweise auch das Bauen auf der grünen Wiese im Außenbereich notwendig, – wenn, so fährt sie fort , für eine gute soziale Durchmischung im neuen Quartier und eine gute Verkehrsanbindung gesorgt wird. Und wir sind davon überzeugt, dass der neue Stadtteil dies leisten wird, und dass dabei die Festlegung, dass 50% definitiv preisgünstiger Mietwohnungsbau entstehen muss, absolut erforderlich ist.

Machen wir uns klar: nur diese Festlegung ermöglicht uns einen Einfluss auf die Mietpreise zu nehmen, ansonsten überlassen wir alles dem Markt, und wir haben die bittere Erfahrung machen müssen, was dabei herauskommt. Nur mit dieser Festlegung wissen wir definitiv, dass die Hälfte der neuen Mietwohnungen deutlich unter dem Mietspiegel liegt. Und für diejenigen, deren Einkommen nicht wesentlich über den Einkommensgrenzen des Landeswohnraumförderungsprogramms liegt, müssen wir ein weiteres Segment mietpreisgedämpften Wohnraums und geförderten Wohnungseigentums schaffen. Und das alles ist notwendig, um vielen Menschen mit geringem und mittleren Einkommen die Chance zu eröffnen, in Freiburg bleiben zu können. Gelingt dies nicht, sind gravierende Folgen für die Sozialstruktur der Stadt zu erwarten und überdies sind die ökologischen Folgen einer weiteren Zersiedelung auf dem Land erheblich. Nicht nur, dass auch dort landwirtschaftlich genutzte Fläche geopfert werden muss, bei weitem nicht mit der Dichte der Stadt gebaut wird, zudem nehmen die Pendlerströme zu – das Gegenteil der von uns gewollten Stadt der kurzen Wege.
Wir wollen in Zukunft verhindern, dass sich Bauträger aus der Verpflichtung zum sozialen Wohnungsbau herausmogeln können. Eine Möglichkeit wäre, das Schlupfloch der alternativen Abtretung von Bauland an die Stadt ganz abzuschaffen. Eine andere, es deutlich teurer zu machen als bisher mit ca. 17% Abtretung von Bauland. Deshalb beantragen wir, alternativ zur 50% Regelung eine Abtretung von 25% des Baulandes festzulegen.
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Dies sind bei weitem nicht alle Aspekte unserer Wohnungspolitik, aber doch sehr zentrale. Wir hoffen, dass der Bürgerentscheid viele Menschen mobilisiert, weil auch diejenigen, die keine Wohnung suchen, an dieser wichtigen Frage für Freiburgs Zukunft mitentscheiden müssen. Und wir hoffen auf ein deutliches Ja zum Neubaugebiet Dietenbach als soziales, ökologisches und innovatives neues Quartier eines Freiburgs, die hier solidarisch in einem Freiburg für alle zusammen leben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Michael Moos