Haushaltsrede von Irene Vogel

Wir bewerten die Beschlüsse über die uns vorliegenden roten Drucksachen als absolute Basics. Sie sind aus unserer Sicht kein großer Wurf, sondern ermöglichen nur das Notwendigste, selbst wenn darunter auch sogenannte freiwillige Leistungen sind. So wird der weitere Ausbau der Schulkind-Betreuung um zwei Jahre geschoben, weil der bisherige Ausbau teurer als prognostiziert ist. An den beruflichen Schulen wird es zwar von nun an überall Jugendsozialarbeit geben, aber angesichts dessen, dass mit den vielen Neuzugängen jugendlicher Geflüchteter ohne Deutschkenntnisse und mit sehr heterogener schulischer Vorbildung eine berufliche Perspektive entwickelt werden muss, ist das Nötigste nicht genug. Das Gleiche gilt für die frühen Hilfen. Auch in dieser Drucksache ist bei weitem nicht berücksichtigt, was nötig wäre, um allen Kleinkindern aus instabilen und schwierigen Lebensverhältnissen, im Vergleich zur Mehrheit eine beschützte und gesunde Entwicklung zu ermöglichen.
Auch die Vorlage zur Integration Kinder und Jugendlicher von Defiziten geprägt. Angefangen wiederum bei den Frühen Hilfen für Säuglinge und Eltern in den Flüchtlingswohnheimen, über fehlende Kitaplätze und zu große Schulklassen für den besonderen Förderbedarf geflüchteter Kinder bis hin zu den Zuschüsse für gezielte Maßnahmen mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen in der offenen Jugendarbeit, deren bisheriges Budget auf ein Drittel reduziert wird. Natürlich sind wir froh darüber, dass die lange geforderte Beratungsstelle für die vielen traumatisierten Geflüchteten endlich an den Start gehen kann und wir möchten zu gerne glauben, dass ihre minimalistische personelle Ausstattung wirklich nur der erste Schritt dahin ist, ein bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen.
Wie sehr es von all diesen Unterstützungsmaßnahmen abhängt, ob Integration gut gelingen kann, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erzählen.
Unter diesem Gesichtspunkt, der positiven Entwicklung der Stadtgesellschaft und der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bewerten wir auch die zahlreichen Fraktionsanträge. Wir sind eine wachsende und sich verändernde Stadt. Das muss sich auch niederschlagen in der Stärkung der Freiburger Einrichtungen und Institutionen in den von Michael Moos genannten Bereichen, damit eine bedarfsgerechte Arbeit geleistet werden kann. Allen voran möchte ich die Anträge für Frauen in besonders schweren Lebenslagen nennen, wie von Frauenhorizonte für vergewaltigte Frauen und von P.I.N.K. für Frauen in der Prostitution und Zwangsprostitution. Anträge wie von Amica für Haupt- und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe, der Freiburger Straßenschule für die zunehmende Anzahl junger wohnungsloser Menschen oder dem Netzwerk Pflegebegleitung zur Entlastung von Angehörigen in der häuslichen Pflege sind – wie viele andere auch – ein Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen, Notwendigkeiten und zunehmendem Bedarf, denen wir als Stadt gerecht werden müssen.
Aus unserer Sicht sind alle Initiativen und Vorhaben innovativer Art unbedingt zu unterstützen und zu fördern, wenn sie dazu beitragen eine tiefere Spaltung der Stadtgesellschaft zu verhindern bzw. ihr gezielt entgegen zu wirken. In diesem Sinne versprechen wir uns auch wichtige Impulse aus dem Entwurf des Konzepts , wie von Frau Mundel angedacht, indem gem einsam, in kollektiven Prozessen ein Stadtjubiläum entwickelt und auf die Beine gestellt wird. Wir sehen darin nach wie vor eine große Chance ergänzend zu den alltäglichen Bemühungen und Maßnahmen dazu beizutragen, zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und nach dem Mundelschen Motto Brücken zu bauen. Es gilt Verbindungen herzustellen zwischen fremden Lebenswelten, z.B. von Kindern aus Herdern und Weingarten, von Jugendlichen aus der Wiehre und aus Landwasser oder zwischen Geflüchteten, jungen Wohnungslosen und Alteingesessenen, zwischen Musiker/innen aus Freiburg und solchen aus aller Welt neu Zugewanderten. Diese Projekte sind es, die helfen, dass die unterschiedlichsten Menschen in der Stadt sich besser kennen- und verstehenlernen und eine sich zu erneuernde Stadtgesellschaft auch zu neuer Identität findet. Wenn, ja wenn wir den Mut dazu aufbringen, auch in finanzieller Hinsicht, und das Konzept damit eine Chance auf Verwirklichung bekommt.
Insgesamt geht es also nicht um nice to haves, sondern um vorausschauende Investitionen in gute Zukunftsperspektiven von Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Menschen, um deren Befähigung zu einem guten Miteinander Leben in unserer Stadt und um deren gesellschaftliche Teilhabe.
Irene Vogel, Dienstag 2. Mai 2017
Hier seht ihr, wie die einzelnen Parteien und Fraktionen in der 3. Lesung abgestimmt haben.