Neujahrsreden der Unabhängigen Listen

„Der Anschlag in Paris auf Charly Hebdo und den jüdischen Supermarkt haben uns alle entsetzt. Unabhängig davon, wie wir angesichts der Reaktionen in der islamischen Welt zu Mohamad Karikaturen stehen, verteidigen wir die Meinungs- und Kunstfreiheit. Und gleichzeitig überlegen wir, wie wir die Beziehung zu den hier lebenden Moslems verbessern können. Die gemeinsamen Kundgebungen der letzten Tage waren ein Anfang.

Ebenso wichtig ist die Demonstration am Freitag 17 Uhr gegen Pegida. Wir fordern alle auf daran teilzunehmen. Die von Pegida betriebene Ausländerhetze, die Forderungen nach konsequenter Abschiebung und Begrenzung der Aufnahme auf wirtschaftlich verwertbare Einwanderer ist menschenfeindlich und rassistisch. Es ist nicht hinnehmbar, wie diesen Hetzern öffentliche Aufmerksamkeit zukommt, wie ihrer Sprecherin bei Günter Jauch am Sonntagabend eine Plattform geboten wird.  2002, als die NPD hier demonstrieren wollte, haben die Freiburger dies verhindert. Und mit eben dieser Entschiedenheit muss auch Pegida begegnet werden.

Die 80 reichsten Personen der Erde besaßen 2014 mehr Kapital als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, erklärte die Menschenrechtsorganisation Oxfam am Wochenende anläßlich des in Davos in wenigen Tagen beginnenden Weltwirtschaftsforums. Oxfam unterstützt die Forderung des französischen Ökonomen Thomas Piketty, der angesichts dieser Zahlen eine globale Vermögens- und Kapitalsteuer vorschlägt. 1 % der Weltbevölkerung besitzt 48 % allen Vermögens, die restlichen 99 % teilen sich die übrigen 52 %.  „Alles haben und noch mehr wollen“, so beschreibt Oxfam die ungebremste Gier der Superreichen und Großkonzerne, die vor nichts haltmacht, nicht vor der Privatisierung des Wassers, nicht vor dem Einreißen aller ökologischen Schranken.  Die Forderung nach einer globalen Vermögens- und Kapitalsteuer muss durchgesetzt werden. Global denken, lokal handeln – auch auf kommunaler Ebene müssen die, großen Reichtum angehäuft haben, mehr zum Allgemeinwohl beitragen. Und umgekehrt, die die wenig haben, müssen entlastet werden, noch weitaus mehr, als dies bisher geschieht. Die Einführung eines Sozialtickets in Freiburg ist überfällig. Wir werden nicht aufgeben und auch bei den diesjährigen Haushaltsberatungen diese Forderung einbringen.

Untere und mittlere Einkommen haben es in Freiburg immer schwerer, vor allem wegen der Mietpreisentwicklung. Die UL arbeitet mit an den Planungen für einen neuen Stadtteil, aber für uns wird entscheidend sein, wie und für wen gebaut wird. 80% Mietwohnungen aller Größen, die Hälfte davon geförderter Wohnungsbau, gebaut von Genossenschaften und Stadtbau, Mietshäusersyndikat und Baugemeinschaften, gezielte Förderung neuer gemeinschaftlicher Wohnformen, Wohnungen für Flüchtlingsfamilien,  ein kindgerechter ökologischer Stadtteil mit öffentlichen Räumen und viel Grün, Verbindung von Wohnen und Arbeiten und gemeinsame Entwicklung eines offenen Stadtteils mit den zukünftigen Nutzern.

In Kürze beginnen die Bauarbeiten in Gutleutmatten. Darunter sind auch soziale und ökologische Projekte, z.B. von der Ökogeno oder dem Mietshäusersyndikat. Diese Projekte sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Gegen die Mietpreisentwicklung muss viel mehr getan werden: Mietpreisstop bei der Stadtbau für zunächst 3 Jahre, mehr Geld im Haushalt gegen das Auslaufen der Mietpreisbindung im geförderten Wohnungsbau und mehr Geld für Stadtbau und andere, um öffentlich geförderten Wohnungsbau realisieren zu können.

Ein Wort in diesem Zusammenhang zum SC und seinen Fans. Die Fußballidole sind schwarz, gelb oder weiß, sie kommen aus Afrika, Japan, sind Serben und Kroaten, manchmal Israelis und Kicker aus dem Iran. Sie spielen in einer Mannschaft zusammen. Das ist bei den Profis so und bei jeder Jugendmannschaft. Fangruppen des SC unterbinden im Stadion Rassismus und Chauvinismus, den es auch hier gibt. Und das Fanprojekt des SC organisierte beispielsweise nach dem Auswärtsspiel in Augsburg einen Besuch der KZ Gedenkstätte Dachau. Wir unterstützen auch die finanzielle Unterstützung des fanprojekts im Haushalt 15/16.

Der 1. Februar wird ein wichtiger Tag: Erstmals wird ein Bürgerentscheid in Freiburg durchgeführt, den der Gemeinderat von sich aus beschlossen hat. Mehr so kann ich da nur sagen.

Ich stimme für ein neues Stadion für den sc am Wolfswinkel, ich sehe keine brauchbare Alternative in der Stadt. Und ich möchte ein Stadion, das Teil der Stadt ist und keines im Europapark. Ich respektiere die ökologischen Bedenken, sehe aber auch, dass diese an anderen geprüften Standorten gewiss nicht kleiner wären. Ich teile auch die Kritik an der Stadt, die mehr Geld beispielsweise für sozialen Wohnungsbau in die Hand nehmen müsste, sehe aber auch, dass uns die Ablehnung eines neuen Stadions keinen Schritt weiter brächte in der Durchsetzung sozialer Forderungen.

Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Unsere Fraktion hat vorab erklärt, dass sie die Mehrheitsmeinung akzeptiert, auch wenn das Quorum nicht erreicht wird und der Gemeinderat dann das letzte Wort hat.“ (Michael Moos, Linke Liste Stadtrat)

 

2. Teil der Rede bei der UL-Jahresauftaktveranstaltung 2015 – von Irene Vogel, Unabhängige Frauen Stadträtin

Kurz vor Jahresende hat der Freiburger Gemeinderat auf unsere Initiative hin einen Appell an die Landesregierung für einen erneuten Winterabschiebestopp auf den Balkan verabschiedet. Damit wollten wir die Roma zumindest soweit vor Abschiebungen schützen, wie es uns noch möglich schien, nachdem Kretschmann kurz vorher im Bundesrat für eine Mehrheit sorgte. Durch ihn konnten die ehemaligen jugoslawischen Republiken zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Künftige Flüchtlinge aus diesen Ländern haben kein Asylrecht mehr, dem Ankunftsland entstehen keine Kosten und Verpflichtungen mehr und die bereits hier lebenden können leichter abgeschoben werden. Heute wissen wir, dass die Landesregierung auf unsern Appell pfeift, denn sie hat gestern Morgen sind 140 Menschen über Baden-Airport abgeschoben, aus Freiburg war die 6-köpfige Familie Ametovic dabei.

Zeitgleich kam die Antwort von Innenminister Gall zu unserem Appell in Freiburg an. Ich kann den 3-seitigen Brief aus Zeitgründen wiedergeben, wer mag kann eine Kopie des Schreibens haben. Nur so viel daraus:

„Die stark gestiegenen Antragszahlen aus den Westbalkanstaaten führen dazu, dass Kommunen und Land bei der Unterbringung an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gebracht werden. Der Flüchtlingsschutz umfasst nicht die Flucht aus wirtschaftlichen  Gründen.“

Dazu ließe sich viel sagen, über den faschistischen Völkermord an den Roma, über die 6 Mio. deutschen Wirtschaftsflüchtlinge im 19. Jahrhundert oder aktuell über die aggressive deutsche Wirtschaftspolitik und was sie im Süden und Osten der EU anrichtet. Zum Schluss noch diesen letzten „galligen“ Satz:

„Die erforderlichen Ressourcen bei der Unterbringung werden dringend für Flüchtlinge aus den humanitären Krisenregionen benötigt.“

Womit wir bei der in 2016 geplanten Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge unter Regie des Landes wären –  kurz, eine LEA in der Polizeiakademie Freiburg.

Die Unabhängigen Listen sagen Ja, wir wollen eine Stadt, in der jeder Mensch auf der Flucht willkommen ist. Wir wollen aber keine LEA, wie wir sie in Karlsruhe besichtigt haben, mit dauerhaft 1.000 Menschen und mehr, mit minimalster Versorgung und maximalen ehrenamtlichen Hilfen, ohne jegliche städtische Mitbestimmung und mit Abschiebungen, von der wohl die Hälfte aller zuvor Aufgenommenen betroffen sein werden. Deshalb haben wir die LEA, so wie sie konzipiert ist abgelehnt, nachdem unsere Anträge für humanitärere Lebensbedingungen keine Mehrheit im Gemeinderat fanden.  Gewiss aber werden wir die Einrichtung kritisch begleiten.

Zu den laufenden Haushaltsberatungen will ich ergänzen, was aus den Fachbereichen Kinder, Jugend, Soziales, Schulen und Migration wichtig ist:

– Wer eine Bordellsteuer einführt und damit die Prostituierten zur Kasse bittet, wie es der Freiburger Gemeinderat seit Ende 2012 tut, muss auch etwas zur Verbesserung der sozialen Lage dieser Frauen tun und ihnen vor allem dabei helfen, wenn sie aus diesem Gewerbe aussteigen wollen. Dafür gibt es in Freiburg PINK, als Modellprojekt finanziert von Land und Bund. Das Projekt ist nun beendet und wir wollen, dass die Stadt diese Stelle bezahlt, damit sie weiterhin diese wichtige Arbeit leisten kann.

– Für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss in den weiteren Ausbau der Kinder- und Schulkind-Betreuung investiert werden. Das erfordert jährlich zusätzliche Millionen. Das wollen wir auch –          auch, weil die Freiburger Mieten ohne ein gutes Einkommen der Männer und Frauen in den Familien nicht bezahlbar sind. Gut bezahlte Erzieherinnen und die Qualität der Kinderbetreuung bei geringer Belastung für die Eltern sind uns aber genauso wichtig. Beides ist derzeit nicht gewährleistet. Dazu braucht es deutlich weniger als 25 Kinder pro Gruppe und somit mehr Raum und Personal.

– Ein gutes aber preiswertes Mittagessen gehört bei längeren Betreuungszeiten in Kita und Schule selbstverständlich dazu. Auch das braucht mehr Personal, dazu eine Mensa an jeder Schule. So schreibt uns z.B. der Bürgerverein Mittel- + Oberwiehre, dass in der Emil-Thoma-Grundschule im Lycee Turenne 110 Kinder in 3 Schichten in den Klassenzimmern zu Mittag essen müssen, obwohl der gesamte Westflügel komplett leer steht und seit 20 Jahren immer noch auf Sanierung wartet – ein Unding.

– Ein anderes Beispiel ist die Adolf-Reichwein-Schule in Weingarten. Sie wartet seit 4 Jahren auf Erweiterung und Sanierung um Ganztagsgrundschule werden zu können. Für Kinder mit schlechteren Bildungschancen eine wichtige Voraussetzung für einen guten Start ins Leben. Darüber sind wir uns einig in der UL.

Nicht einig sind wir in der Beurteilung, ob 36 Mio. in die Infrastruktur eines neuen SC-Stadions investiert werden können und eine Bürgschaft in noch immer ungewisser Höhe geleistet werden sollte, so lange wir einen solchen Sanierungs-stau an Schulen von grob geschätzten 200 Mio. Euro haben und 2018 der Rathaus-Neubau und die neuen Straßenbahnlinien + Trams finanziert sein müssen.

Fakt ist, dass die Verwaltung schon im jetzigen Haushalts-entwurf die Investitionen für Schulen halbiert hat und sie sich mittelfristig nicht festlegen will, wann welche Schule saniert wird. Nur dass die Staudinger als nächstes dran ist. Höchstwahrscheinlich wird’s ein Neubau werden, Planungs- und Bauzeit 8 Jahre, Kosten 50-60 Mio. Euro. Das könnte in der 2. Lesung noch spannend werden, ob dafür in diesem Doppelhaushalt schon Geld für die Planung fließt.

Hingegen sehe ich schwarz für einen Sanierungsbeginn des Haus der Jugend, den wir in den Haushaltsberatungen erneut fordern werden. Für sehr viele Jugendliche stand diese Forderung im Kommunalwahlkampf an erster Stelle und es geht dabei ja auch noch um die Musikschule.

Ob wir für die Jugendzentren in der Schwarzwaldstraße, in Zähringen und Herdern endlich ein Minimum von 2 Personalstellen durchsetzen können, ob es gelingt, den Personalkostenzuschuss  für das Frauen- und Mädchen-Gesundheitszentrum aufzustocken oder die eine oder andere Kultureinrichtung besser zu fördern, ist sicher unabhängig davon, ob das Stadion gebaut wird oder nicht. Aber ob und wann Schulen saniert werden, hängt sehr wohl damit zusammen.

Das war dann auch ausschlaggebend für die Entscheidung von Lothar Schuchmann, Brigitte von Savigny und mir, gegen das städtische Finanzkonzept zu stimmen. Für uns Frauen sprechen auch ökologische und klimatische Gründe dagegen. Der Flugplatz ist ein wichtiger „grüner Finger“ zur Durchlüftung der Gesamtstadt. Nebenbei bemerkt, sind Brigitte und ich auch nicht begeistert von der neuen Ausrichtung des SC. Aber das entscheidet der SC selbst. Über die Finanzierung jedoch entscheiden wir alle.