Irene Vogel zur Flüchtlings-situation in Freiburg

Rede im Gemeinderat am 28.07.2015

Die Drucksache G-15/127 macht deutlich, welch schwierige Aufgaben die Sozialverwaltung und das Amt für Wohnraumversorgung zu bewältigen haben um sicher zu stellen, dass die in Freiburg ankommenden Flüchtlinge sofort mit Wohnraum, Betreuung und auch medizinisch versorgt werden.

Der Abbau von Wohnheimplätzen und der unzureichende Sozialwohnungsbau der letzten 10 Jahren rächen sich mit den steigenden Flüchtlingszahlen jetzt umso mehr. Wir sind zu wenig auf die aktuelle Situation vorbereitet, darunter müssen auch die im Bereich der Flüchtlingsversorgung Beschäftigten leiden, sie arbeiten seit Monaten an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Unser Dank an Sozialdezernat, Frau Konfitin, Herrn Hein und alle Mitarbeiterinnen reicht deshalb nicht aus. Wir müssen diese Ämter personell entlasten, auch wenn derzeit noch nicht klar ist, wie sehr sich Bund und Land nun endlich an den echten Kosten für die Flüchtlings-versorgung beteiligen werden. Die ökonomischen Zwänge dürfen weder auf dem Rücken der Beschäftigten noch auf dem der Flüchtlinge ausgetragen werden.

Die Flüchtlinge sind schließlich die Leidtragenden deutscher Politik, die mit Diktatoren und korrupten Regierungen zusammen arbeitet, so lange es etwas zu holen gibt. Und sie sind die Leidtragenden von Nato-Interventionen, die zur Destabilisierung ganzer Regionen geführt haben. Die Profiteure einer solchen Politik sind hinlänglich bekannt, stellvertretend sei hier nur Heckler und Koch genannt.

Man hätte also damit rechnen können und muss es wohl auch in absehbarer Zukunft, dass die Flüchtlingsbewegungen größer werden, so lange die neokoloniale Politik fortgeführt und den Menschen auf dem Balkan, Afrikas und Asiens die Lebensgrundlage entzogen wird.

Wir weisen die Forderung von Städten und Gemeinden zurück, den Kosovo und Albanien als sichere Herkunftsländer für Roma zu erklären, ebenso wie wir Ungarn, Serbien oder Mazedonien nicht dafür halten können. Weil sie dieser ethnischen Minderheit weder Schutz noch eine Lebens-perspektive bieten.

Zurück zur Vorlage: Wir bedauern es zu tiefst, aber verstehen, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass kleinteilige Unterkünfte für jeweils 50-70 Personen verteilt auf die gesamte Stadt als temporäre Versorgung bei Ankunft der Flüchtlinge, aktuell nicht aufrecht zu erhalten sind. Es ist nachvollziehbar, dass bei den derzeitig hohen Zugängen alle angebotenen Gebäude angemietet oder gekauft werden, auch wenn sie von Größe oder Standort nicht diesem Grundsatz entsprechen. Jedoch stimmen wir dem nur zu, wenn nicht abermals der Fehler begangen wird, sich mit Flüchtlings-Sammelunterkünften als Dauerzustand zu arrangieren. Spätestens nach ein, zwei Jahren muss ein Umzug in Mietwohnungen möglich werden.

Es ist richtig, dass sich die Verwaltung entschlossen hat, derzeit alles zu nehmen, was wir bekommen können. Denn wir wollen und müssen der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf bieten. Zeltstädte, wie Bayern sie plant, kommen auf keinen Fall in Frage. Gleichzeitig müssen wir jedoch den Umfang und das Tempo für die Schaffung von bezahlbaren Mietwohnungen deutlich steigern. Wir gehen davon aus, dass auch viele der Neuankömmlinge in Freiburg bleiben werden. In diesem Jahr werden es wohl ca. 1500 bis 1800 Personen sein. Das ist keine Zahl, die unsere Stadt nicht verkraften könnte. Dafür müssen wir aber auch entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und aufhören, Flüchtlinge dauerhaft an die Stadtränder und in Ghettos verweisen. Wenn wir das nicht hinkriegen, schüren wir Angst und Fremdenfeindlichkeit.

Wir haben viele Flüchtlingshilfsorganisationen und viele auch junge Menschen, die Flüchtlinge begleiten und sie unterstützen, hier Fuß zu fassen. Sicher bietet unsere Stadt dazu weit bessere Möglichkeiten als die Landkreise es könnten oder wollten. Auch aufgrund der Hochschulen und unseren zahlreichen Kultureinrichtungen sind wir multi-kulturell und in der Lage ein paar hundert Zugewanderte gut in die Stadt zu integrieren.

Die Einrichtung der Runden Tische in den Stadtteilen mit Bürgervereinen, Kirchen und Helferinnenkreise sind sehr gut und wichtig, um praktische Hilfe zu leisten und ein Signal für Solidarität und Toleranz zu setzen.

Wir regen des Weiteren einen gesamtstädtischen politischen Runden Tisch an, mit allen relevanten Akteuren – auch der Stadtverwaltung und des Gemeinderats, um Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und intervenieren zu können. Dies auch im Hinblick auf die Einrichtung einer Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge, die ja nun wohl bereits im Herbst als Provisorium auf dem Sportplatz der Polizeiakademie errichtet werden und 300 bis 600 Personen in Traglufthallen und / oder Containern Obdach bieten soll. Mit der LEA selbst werden dann Ende nächsten Jahres weit mehr Flüchtlinge nach Freiburg kommen und wahrscheinlich unter schwierigsten Bedingungen mehrere Monate hier leben müssen, bevor sie abgeschoben oder in andere Städte und Kreise verteilt werden. Das wird die Stadt verändern. Gleichzeitig haben wir keine kommunale Hoheit darüber. Deshalb sollten wir sowohl die Entwicklung unserer eigenen provisorischen Einrichtungen aber vor allem auch die BEA und LEA engmaschig begleiten.

Wir halten es für notwendig, dass humanitäre und nicht ökonomische Aspekte in den Vordergrund unserer Flüchtlingshilfe gestellt werden.

Mit zunehmenden Flüchtlingszahlen verstärken sich auch Tendenzen, Flüchtlinge einzuteilen in für die Wirtschaft als Arbeitskräfte brauchbare und unbrauchbare. Das verurteilen wir zutiefst. Unabhängig woher sie kommen, sie brauchen unseren Schutz und unsere Hilfe.

Irene Vogel, 28.07.2015